Alles ganz toll ?
Wer die ersten drei Abschnitte gelesen hat, könnte den Eindruck haben,
Linedance sei die absolut beste Freizeitgestaltung.
Nun ja - wenn, ja wenn...
Befassen wir uns mal mit den Nachteilen. Nein falsch - ich kann nichts Nachteiliges über Linedance sagen. Linedance muss aber in den Alltag
integriert werden können, und hier beginnen die Schwierigkeiten.
Zeitfaktor und Lebensumstände
Da wir ständig neue Tänze lernen, muss man am Training regelmäßig teilnehmen. Hast Du dafür Zeit?
Es ist schade aber wahr, dass manches hoffnungsvolle Linedance-Talent aufhören musste, weil Familie, Beruf und Linedance nicht unter einem Hut zu bringen waren. Da waren plötzlich Überstunden nötig oder die Schichten haben sich verschoben. Außerdem ist es wichtig, dass der Partner mit dem neuen Hobby einverstanden ist, idealerweise selbst mitmacht.
Belastung
Wer allseitig interessiert ist, füllt seine Freizeit oft mit mehreren Hobbys aus. Wer Linedance anfängt merkt sehr bald, das dieses Hobby Zeit erfordert, nicht selten über die Trainingszeit hinaus. Es kommt durchaus vor, dass man einen Tanz einfach nicht schnallt, aber alle anderen scheinen damit kein Problem zu haben. Also: Choreographie studieren, zu Hause Schritte probieren, oder sich mit anderen Tänzern treffen und gemeinsam nachholen.
Hast man bereits viele Hobbys, ist Linedance zusätzlich nur Stress und macht keinen Spaß.
Hast Du noch kein Hobby oder viel Freizeit übrig?
Dann kann Linedance richtig Spaß machen.
Selbstdisziplin und Ehrgeiz
Der sportliche Aspekt am Linedance ist unbetritten. Es ist aber auch eine Kunst, und da heißt es üben,üben ... und eventuell nochmals üben. Man muss die Tänze auch lernen wollen und sich über den Erfolg freuen können.
Neugier und Unbefangenheit
Eine kleine Episode soll verdeutlichen, was gemeint ist:
In den 2010er Jahren lernte ich Linedance in einer Kneipe. Dort gab es eine Bühne, die unser Trainer in der Woche gemietet hatte und auf der unser Linedance-Kurs stattfand. Im Raum gab es natürlich auch reguläre Gäste, die
nur ein Bier trinken oder essen wollten. Manche schauten und interessiert zu,
andere nicht.
Eines Tages kamen amerikanische Touristen, darunter war eine junge Frau, die einfach zu uns ungefragt auf die Bühne kam und versuchte mitzutanzen. Sie machte ein paar Bewegungen, stockte und schaute was wir machten, versuchte das nachzumachen und hatte ihren Spaß dabei. Für uns war das auch ganz lustig und irgendwie auch schön.
Diese Unbefangenheit scheint uns Deutschen abhanden gekommen zu sein.
Einfach mal was probieren und schauen, wie es ausgeht - das können offenbar immer wenigere. Aber nur so kann man entdecken, welche Talente man hat und welche nicht. Liegen wir uns mit dem angestrebten Perfektionismus selbst im Weg?
Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen
Besonders traurig ist es, wenn Interessenten kommen, die unbedingt alles ganz von Grund auf erlernen wollen (im Prinzip richtig), und wenn kein Anfängerkurs stattfindet, dann wieder gehen (komplett falsch). Dabei gibt es gar keine
Linedance-Lehre, die man von Grund auf lernen könnte.
Es gibt nur einfache und weniger einfache Tänze.
Anfängergruppen gibt es natürlich, die meisten Gruppen existieren schon über Jahre. Neuzugänge sind in jeder Gruppe gern gesehen und werden mit einfachen Tänzen und von allen gemeinsam in die Gruppe aufgenommen.
Nicht schüchtern sein
Manche Neulinge kommen und stellen sich sofort in die ganz hinterste Reihe,
nach dem Motto: hier sieht mich ja erstmal keiner. Völlig falsch gedacht.
Da Linedancedurchgänge immer in Richtung einer anderen Wand starten, dann ist bei der 6-Uhr-Richtung die letzte Reihe nämlich die erste. Und gerade in dieser Richtung finden besonders gern Restarts und andere Besonderheiten statt, so dass man da erst recht auffällt.
Tatsächlich lernt man in der letzten Reihe am schlechtesten. Der Trainer wird normalerweise Anfängern einen Platz in der Mitte der Gruppe empfehlen.
Angst vor der Blamage - völlig überflüssig
Wer Angst hat sollte am besten gar nichts machen - das wäre die schnelle, aber wenig hilfreiche Antwort.
Linedancer sind ja in der Regel Amateure und keine Profis. In der Gruppe sind außerdem alle in gleicher sozialer Position und traditionell hilft man sich gegenseitig.
Gelegentlich höre ich solche Äußerungen:
Die sind ja alle so gut, das schaffe ich nie!. Tatsächlich ist es beeindruckend, wenn man zum ersten Mal eine Gruppe aus der Nähe gemeinsam tanzen sieht. Aber das kommt nicht daher, das die alle überdurchschnittlich gut sind. Vielmehr ist ein Tanz in Formation immer beeindruckend, selbst wenn es ein ganz einfacher Anfängertanz ist.